8. Dezember 2019
“Und, wohin geht die Reise?”,fragt der Mitfahrer der über Joscha
in unserem 6er Abteil liegt. „In die Welt“, sage ich, „heute geht es los!“
Der Zug schaukelt und knarzt. Lichter ziehen vorbei. Mal wird es heller durchs Fenster und dann wieder nichts. Wir liegen im Schlafwagen, 6er Abteil mit vier anderen. Es ist eng, aber gemütlich. Ab und zu läuft noch einer durch den Gang. Ansonsten ist es still. Die ersten schlafen. Die letzten zwei Wochen waren anstrengend. Packen, Räumen, Verabschieden, viele Treffen, viele Menschen, Freunde, Familie, viel erzählen und organisieren. Wir sind müde. Dankbar für all die Freunde und Menschen die einen nochmal sehen wollen. Die letzten Stunden in Freiburg. Ruhig, aber natürlich kurz vor knapp mit allem. Der erste Zug hat Verspätung. Unsere Rucksäcke jetzt schon viel zu schwer. Wir sind froh, dass es heute endlich losgeht. Kaum zu glauben, wir machen es wirklich. Ich blicke zu Joscha rüber. Er flüstert: „Heute geht es los, unser Abenteuer“. Und ich nicke.
Tschüss Budapest, es war ein schöner und ruhiger Start in die Reise!
Wir fahren mit dem Nachtzug nach Bukarest, entscheiden, als wir mittags ankommen, noch ein Stückchen weiterzufahren. Es ist Nebensaison und deshalb fährt der Direktzug nach Istanbul im Moment nicht. Zug ist nur mit 4 mal umsteigen möglich - nachts, mit Wartezeiten und zwei Grenzübergängen wollen wir uns das nicht antun. Wir fahren weiter bis Constanta und stehen das erste mal am Schwarzen Meer. Es ist ruhig und trist in dem Städtchen, in dem wir eine Nacht verbringen. Wir sehen weit und breit keine Touristen, am Strand sind wir so gut wie allein. Viele Gebäude sind kaputt, der Putz bröckelt herunter, bei dem trüben Wetter wirkt alles ziemlich trostlos. Es tut gut das Meer zu sehen, sind erholt für die nächste Etappe. Mit etwas Grenzkontrollennervosität, einer Couchsurfingzusage und voller Vorfreude im Gepäck warten wir am Busbahnhof. Vor uns liegen 12h Busfahrt nach Istanbul. (Constanta, 13.12.2019)
Istanbul empfängt und schlafend am frühen Morgen und
verzaubert uns mit Grillgerüchen, Muezzingesängen, Sonne,
feinem Essen und einer wunderbaren Couchsurfingfamilie.
Drei wunderbare Tage in Istanbul und das erste mal Couchsurfen gehen vorüber. Wir dürfen bei einer wunderbaren Familie wohnen und fühlen uns sofort wie bei Freunden aufgehoben. Wir verbringen Zeit zusammen, sie zeigen uns eine der Inseln, wir spazieren nachts durch Istanbul, lernen die türkische Küche kennen, reden, tauschen uns über unsere Länder aus und lachen viel. Bekir und Sevil – ihr habt unsere Zeit in Istanbul noch schöner gemacht und wir sind uns sicher, wir sehen uns irgendwann wieder! Teşekkürler!
Kappadokien stand auf unserer Wunschliste für die Türkei und auch wenn wir nur sehr wenig Zeit hatten, haben sich die 1 ½ Tage in Goreme mehr als gelohnt. Wir wandern durch eine wunderschöne Landschaft, können tagsüber die Jacken weglassen, genießen die Natur, Ruhe und Heißluftballons in der Ferne. Uns geht es richtig gut. Gerne hätten wir hier noch mehr Zeit verbracht, aber wir müssen weiter. Die Türkei ist groß und Georgien wartet auf uns. Die nächste Etappe sind 17 Stunden Zugfahrt im Doğu Express nach Kars und somit über 800 Kilometer durch die Türkei.
Wir stehen vor der georgischen Grenze und uns wird auf einmal klar, wieviele Kilometer wir mit Bus und Bahn hinter uns gebracht haben. Über Land von Freiburg nach Georgien! Wir freuen uns. Es ist ein schönes Gefühl. Wir passieren den Grenzübergang. Auf der georgischen Seite warten wir, bis der Bus weiterfährt. Fast zwei Stunden stehen wir draußen in der Kälte, bis wir wieder in den Bus dürfen. Eine Familie hat zu viel dabei: Zwei Perserteppiche, einen riesigen rosafarbenen Plüschteddy und wer weiß, was in all ihren Koffern noch so zu finden ist. Anscheinend gibt es Probleme mit dem Zoll. Überhaupt haben alle in dem Minibus so viel dabei, dass niemand in der letzten Reihe sitzen kann, weil dort alles gestapelt wurde.
Wir kommen mit den Menschen ins Gespräch: Suat aus der Türkei, er kann Deutsch und übersetzt für uns, Azer aus Aserbaidschan und ein Reisender aus Kanada, den wir einen Abend später zufällig auf einem kleinen Weihnachtsmarkt wieder treffen und zum Feiern mitnehmen werden.
Die Fahrt geht endlich weiter. Hinter uns wird wieder alles gestapelt. Sechs bis sieben Stunden soll es von Kars in der Türkei nach Tbilisi der Hauptstadt Georgiens dauern. Von der perfekt geteerten Straße auf der türkischen Seite ist ab Grenzübergang nichts mehr zu sehen. Hundert Schlaglöcher und zehn Stunden später kommen wir schließlich in Tbilisi an und werden mit Schnaps und georgischen Köstlichkeiten empfangen.
Ach Georgien was sollen wir sagen … du warst der perfekte Abschluss der ersten Etappe unserer großen Reise! Da wir Freunde aus Georgien haben, war klar, dass wir nicht in einer normalen Unterkunft unterkommen dürfen. Natela versorgte uns mit großem Herzen, die Freunde von unseren Freunden zeigten uns die Stadt und das georgische Nachtleben, wir tranken Chacha und viel georgischen Wein, aßen Khinkali und Khachapuri, mussten darum kämpfen auch mal etwas bezahlen zu dürfen (haben aber meistens verloren), bekamen überall kleine Geschenke und wenn wir schon längst satt waren gab es immer noch irgendwas, was wir noch probieren mussten. So viel Gastfreundschaft und Zeit die sich für uns genommen wurde – Madloba, Madloba, Madloba! Georgien, wir haben uns nicht das letzte Mal gesehen, das wissen wir!
Was für ein Start! Wir schauen dankbar und mit vielen schönen Erlebnissen und Begegnungen auf unsere erste Etappe unserer großen Reise zurück. Es hätte besser nicht sein können. Von Freiburg fuhren wir mit Zug und Bus zwei Wochen bis nach Georgien. Es viel uns so leicht in das Reisen reinzukommen. Wir ließen Landschaften und Länder an uns vorbeiziehen. Die Menschen, das Essen, die Sprache – alles veränderte sich Stück für Stück. Wie gerne wären wir noch länger in der Türkei geblieben. Es hat uns so gut gefallen und ja liebe Türkei, du bist noch viel mehr, als das, was wir im Moment immer nur so von dir mitbekommen. Und Georgien … du warst einfach der perfekte Abschluss unserer ersten Etappe.
Und jetzt? Sitzen wir im Flugzeug nach Indien. Ein guter, alter Freund von Joscha heiratet dort. Mit gemischten Gefühlen heben wir ab und blicken auf Georgiens Berglandschaft aus dem Flugzeugfenster. Schön wäre es, jetzt einfach über Land weiter zu reisen. Langsam wollten wir los. Stück für Stück. In Ruhe. Schauen was kommt. Ursprünglich sollte es eine Reise über Land werden und wenn möglich ohne Flugzeug. Da Joscha Trauzeuge ist und die Hochzeit genau auf den Anfang unserer Reise fällt, sind wir diesen einen Kompromiss eingegangen: Soweit über Land wie wir es zeitlich schaffen und den Rest fliegen. Auch wenn wir bis Georgien ein zügiges Tempo hatten, so hat sich eben doch alles langsam verändert. Es fühlt sich ein bisschen an wie ein Bruch und vor allem Julia tut sich schwer damit. Es wird langsam dunkel. Ein bisschen was sehen wir noch von Georgien. Irgendwann zeigt es auf dem Display an, dass wir bereits über dem Iran sind. Alles geht auf einmal so schnell. In Dubai steigen wir um. Mit einem Schlag sehen alle Menschen anders aus. Es riecht hier und da nach Räucherstäbchen. Viele Männer und kaum Frauen warten auf ihre Anschlussflüge. Wir freuen uns auf Indien, auf unsere Freunde, die Hochzeit, das Essen, die Kultur. Sind neugierig, haben aber auch Respekt und so gar keine Ahnung was uns in Indien nun erwarten wird.