8. Etappe


GRIECHENLAND


Was machen wir eigentlich in Griechenland?“
„Mmh, keine Ahnung. Hab noch nichts gelesen.“
„Erstmal ans Meer?“
„Meer klingt gut!“
(kurz vor der griechischen Grenze im Bus)

 


Alles Bestens.


Außer einem kleinen Werkstattbesuch (endlich ist das Problem mit dem Bremsflüssigkeitsverlust behoben!) ist die letzten zwölf Tage bei uns nicht sehr viel passiert. Wir springen jede Stunde mal ins Wasser, tuckern von Strand zu Strand, wenn einer zu voll ist oder man nicht nah genug am Wasser stehen kann, geht es eben zum Nächsten, wir haben endlich eine griechische Simkarte, haben zwei pinke Luftmatratzen gefunden, liegen in der Sonne, zwischendurch wird geschnorchelt, sich über kleine Fischschwärme gefreut, oder auch wenn es nur ein einziger kleiner Fisch ist, hören Hörspiel, das Wasser ist glasklar, ab und zu läuft eine Ziegenherde über die Straße, Julia schreibt gerade für eine Schreibagentur um die Reisekasse aufzubessern (macht keinen Spaß, aber mit der türkisenen Aussicht und Sand unter den Füßen kann man es aushalten), haben die schönsten Sonnenuntergänge, können es manchmal gar nicht glauben hier zu sein und liegen abends zufrieden im Bett. Also alles bestens!

Ziga, ziga.


„Ziga, Ziga!“, sagt der Gemüseverkäufer am Straßenrand und schenkt Joscha den zweiten Schnaps ein. Es ist zehn Uhr morgens, wir haben noch nicht gefrühstückt.


Gelernt: Nicht auf dem selben Holzbrett Kaktusfeigen  aufschneiden und danach ein Brot schmieren. Es dauert bis man alle kleinen Stacheln aus Zunge, Gaumen und Zahnfleisch wieder rausbekommt.

3 wochen Chalkidiki


Nach drei Wochen Sommer, Sonne und Strand verlassen wir die Region Chalkidiki und machen uns auf nach Westmakedonien. Fast sind wir ein wenig traurig und überlegen nochmal an die ersten Strände zurückzufahren. So schöne Plätzchen hatten wir dort, so klares Wasser und so ruhige warme Tage. Es war ein guter Start in Griechenland. Bevor es nun Richtung Süden geht und auch wieder ans Meer, warten auf uns jetzt erstmal die Berge an der Grenze zu Albanien und Nordmazedonien. Wild und unberührt soll es dort sein, fernab vom Massentourismus. Das klingt nach unserem Reisegeschmack und vielleicht nach dem ein oder anderen kleinen Abenteuer. Wir sind gespannt was uns erwartet und tuckern mit unseren gemütlichen 80 los Richtung Berge. 

Das kleine grosse glück

 

Heute ist so ein Tag, da könnten wir fast ein bisschen platzen vor Glück. Einfach, weil der Tag so unspektakulär schön war. Wir fahren von den heißen Quellen ein Stückchen weiter in die Berge hoch. Nach kurzer Zeit sind wir komplett allein auf der Straße. Überall tauchen kleinere und größere Berge auf, Bäume mit bunten Herbstblättern reihen sich aneinander, die Wege sind voll mit Maronen und Hagebuttensträuchern. Ein Stückchen weiter oben sind wir umringt von einem Wolkenmeer. Wir können nur in der Ferne erahnen, was sich darunter versteckt. Nebelschwaden verteilen sich in Zeitlupe zwischen den Tannen. Wir tuckern mit 30km/h die Straßen hoch, um ja nichts zu verpassen. Sammeln Hagebutten und Maronen. Halten immer wieder an, bis wir oben auf 2000 Metern ankommen.

Da stehen wir allein, abgesehen von ein paar Hirten mit ihren Herden und Hunden, in einem verlassenen Skigebiet. Mit der Sonne im Gesicht und dem Blick in die Weite essen wir unser Abendessen vor unserem Bulli. Vom Berg hinter uns kommen wenig später hunderte Kühe und Pferde, und ehe wir uns versehen, stehen wir mitten im Almabtrieb. Den Bus haben wir genau dort geparkt, wo der Weg der Herden lang geht. So sitzen wir in unserem Bus, umringt von vorbeilaufenden Kühen, Pferden und Hirtenhunden und essen das restliche Abendessen drinnen. Irgendwann sind wir wieder allein. Die letzte Kuh hat noch ihren Weg gefunden. Der Wind fängt an zu pfeifen. Wir parken den Bus neben einer kleinen Hütte, um heute Nacht ein bisschen im Windschutz zu stehen.

John kommt auf uns zu. Er kann nur ein paar Worte Deutsch und Englisch, will wissen, ob wir heute Nacht hier schlafen. Wir fragen, ob es ok ist, wenn wir hier stehen. Er zeigt uns, dass wir zwischen den zwei Hütten parken sollen. Er ist hier Security, ist oben im alten Skigebäude und hat uns so im Blick. Er fragt, woher wir kommen. Sein Bruder ist in Frankfurt. Freiburg kennt er. Vom Fußball. Aber er ist Dortmund-Fan, und er und Joscha lachen. Wir parken um. In der Zwischenzeit ist John im Skigebäude gewesen und kommt zurück mit einem Kaffee für Joscha, einem Saft für mich, zwei Wasserflaschen und einer Tüte voller Äpfel für uns beide. „Gute Nacht“, sagt er. Wenn irgendwas ist oder wir Hilfe brauchen, er ist da oben. Er passt auf uns auf.

Und so sitzen wir dankbar und zufrieden in unserem kleinen Zuhause mit Kerzenschein. Joscha schält Maronen. Ein paar Hirtenhunde streunen noch um den Bus herum, und ab und zu wackelt er ein wenig vom Wind. Das ist dann wohl das kleine große Glück auf so einer Reise.

Der herbst zieht im hinterland ein

 

Hier im Hinterland ist der Herbst inzwischen auch richtig angekommen. Die Nächte sind kalt, aber tagsüber strahlt uns die Sonne an. Wir tuckern durch Bergdörfer, neben uns ziehen die Schaf- und Ziegenherden vorbei, wir sammeln Walnüsse und Brombeeren und sind umgeben von Wäldern, Bergen und Seen. Meist reichen ein paar Kilometer um den nächsten Hügel herum oder auf den Hügel drauf und schon sieht wieder alles etwas anders aus. Es ist ruhig hier hinten. Und so schön. Wir genießen die Bäume, die Wiesen und die grün-braunen Landschaften. Oft haben wir alles ganz für uns allein. Jetzt fehlt nur noch der Bär, der mal an unserem Bulli vorbeiläuft. Aber nur, wenn wir drinsitzen und die Türen zu sind. 

Nationalpark Prespa


Wir verbringen ein paar Tage im Nationalpark Prespa. Die Natur ist wie die letzten Wochen wunderschön. Wir sind anscheinend weit und breit die einzigen Touristen und außer ein paar Kühen die manchmal auf die Straße laufen und ein paar Pelikanen die über die Seen fliegen, ist hier nichts los. Wir stehen vorm großen Pespasee. Geradeaus blicken wir auf Mazedonien, links von uns ist Albanien. So nah und irgendwie doch so fern gerade. Mal eben rüber fahren geht nicht, sonst müssten wir den ganzen Weg nach Bulgarien zurück um wieder in Griechenland einreisen zu dürfen. Verrückte Zeiten. Leider spielt das Wetter nicht so mit. Die eine Nacht Starkregen, es ist kalt und die Sonne irgendwie immer auf der Seite der Seen oder Berge wo wir gerade nicht sind. Wir sind von Bergketten umgeben, aber dieses Mal ist es irgendwie zu eng. Es gäbe noch ein paar schöne Ausflüge und Wanderungen, aber wir fahren weiter. Es war schön, aber irgendwie wollen wir hier auch wieder weg. Kastoria, ein kleines Städtchen am See eine Stunde weiter südlich, empfängt uns mit strahlendem Sonnenschein und Wochenmarkt. Wir essen Spinatteigtaschen, Joscha seine Gyrospita und wir lassen uns von der Sonne auf der Parkbank wärmen. Das tut gerade richtig gut. 

Gedanken an zuhause

 

Joscha fährt ein paar Kilometer weiter weg zum Einkaufen. Ich bleibe mit den zwei Stühlen, den Angelsachen, den gesammelten Nüssen und dem abgewaschenen Geschirr zum Trocknen zurück. Leer fühlt es sich hier an, ohne unseren Bulli auf der Wiese zu sitzen. Über den See geht eine Brücke auf die andere Seite. Nach einer Dreiviertelstunde sehe ich den Bulli zurückkommen. Da fährt es, unser kleines Zuhause. Mit allem, was wir gerade haben, mit allem, was wir für diese Reise besitzen. Es ist nicht viel, und doch völlig ausreichend. Manchmal frage ich mich, wie es wird, all unsere Dinge daheim wiederzusehen. Obwohl wir vor der Reise gut aussortiert haben, kommt es mir unfassbar viel vor. Es ist schon erstaunlich, wie so ein Bus irgendwann das Zuhause wird. Wie er Küche, Wohnzimmer, Arbeitszimmer, Schlafzimmer und so etwas wie ein Bad in einem ist. Mal Haus am See, mal Zimmerchen im Stadtzentrum, mal kleine Berghütte mit Gebirgspanorama oder ein Zuhause mit Meerblick. Wie das wohl so wird nächstes Jahr, nach so vielen erlebnisreichen Monaten wieder zurück in unserem anderen Zuhause?

Vier wochen im Hinterland MAkedoniens

 

Fast vier Wochen sind wir durch das Hinterland Makedoniens gereist. Es ist verrückt wie die Zeit gerade so dahin zu fliegen scheint. Schon wieder bald ein Monat rum. Seit fast zwei Monaten bereits in Griechenland. Ruhig und Natur pur waren die letzten Wochen. An vielen Orten waren wir oft ganz für uns allein. Der Herbst war so richtig da mit bunten Blättern, gesammelten Nüssen und Maronen und den ersten kühlen Nächten. Hinter jedem Berg sah wieder alles anders aus und Touristen musste man wirklich suchen. Unaufregend schön war es und doch ist auch viel passiert. Gedanklich. Es ist das erste Mal, dass wir langsam an den Rückweg denken. Grob festlegen, wann wir wieder zurück sein wollen. So Ende Februar oder März nächstes Jahr. Also noch mindestens vier Monate vor uns aber auch klar, dass Griechenland wahrscheinlich die letzte große Etappe unserer langen Reise sein wird. Alles danach wird dann schon Teil unseres Rückwegs sein. Es ist verrückt und schön und komisch und zum Glück noch etwas Zeit bis dahin. Über Albanien die Küste hoch und vielleicht zwei Monate langsam zurückkehren, das wäre der Wunsch. Wie das dann wohl so wird, wieder in Freiburg zu sein? Was wir dann machen werden? Aber dann lassen wir die Gedanken auch schon wieder weiterfliegen. Schauen wir erstmal was der Winter hier in Griechenland so bringt. Was Corona noch mit uns so vor hat. Wir verlassen das Hinterland und fahren Richtung Süden. Mit jedem Tag wird es schon wieder ein Stückchen wärmer und wir genießen es, wie die Sonne wieder warm auf uns scheint. Es geht wieder zurück ans Meer und wir haben nochmal so richtig Lust auf ein neues Stück Griechenland. Auf noch ein bisschen restlichen Sommer. Und auf unsere Reise.


Dem Mond zuschauen

 

“Julia, schau mal raus!”, Joscha klopft an den Bus. Hinter dem Berg kommt auf einmal völlig unerwartet der leuchtende Vollmond raus. In einer Größe und Helligkeit, dass wir ganz sprachlos sind. Spiegelt sein Licht übers Wasser bis zu uns ans Ufer. Außer ein paar grillenden Zirpen und dem leise plätschernden Wellen ist nichts zu hören. Es ist fast so, als würde er nur für uns leuchten. Zum Bus in die Tür, da wo wir gerade sitzen. Und dann gibt es für uns auch nichts anderes zu tun als einfach nur dazusitzen und dem Mond zuzuschauen wie er aufgeht.

Überraschender Lockdown in Griechenland

 

Was hatten wir für schöne Tage. Auf Methana morgens in der warmen Quelle gesessen, auf den Vulkan gelaufen, alles für uns allein gehabt und dann ein Stündchen weiter auf dem Peloponnes diese Traumbucht gefunden. Ganz für uns allein. Kein Haus weit und breit, klarstes Wasser und direkt am Strand stehen können. Da haben wir wirklich gedacht, dass kann doch gar nicht wahr sein, dass wir hier sind. In Deutschland ist Lockdown und wir haben hier unsere kleine Privatbucht für uns allein. Empfang gab es keinen und der war auch irgendwie gar nicht nötig. Heute am späten Nachmittag waren wir dann aber doch neugierig, wie das denn jetzt in Amerika da wohl so ausgeht. Joscha hatte auf einem Hügel etwas Netz gefunden und kam aber mit ganz anderen Neuigkeiten wieder: Übermorgen ist überraschender Lockdown in ganz Griechenland. Ausgangssperre, alles zu und wenn man einkaufen will, muss man das per SMS melden. Gut, dass wir das doch noch mitbekommen haben. Wir nehmen es mit Humor auf. Das letzte Mal kamen wir gerade in Manang (Nepal) an und saßen auf 3500 Metern mitten im Himalaya fest, als von einem Tag auf den anderen nichts mehr ging. Jetzt haben wir immerhin noch 1 ½ Tage uns zu organisieren. Wir essen schnell, packen alles zusammen und suchen uns im Dunkeln einen neuen Stellplatz mit Empfang, dass wir uns richtig informieren und überlegen können. In einer Woche war eigentlich geplant, dass wir bei der Olivenernte helfen und so lange das Ferienhäuschen der Olivenbesitzer bekommen. Also sieht es wohl so aus, dass wir die 4 Stunden morgen schnell dahin fahren, dort irgendwie jetzt schon unterkommen müssen und im Lockdown Oliven ernten werden. Morgen wissen wir mehr, was passiert und wo es für uns hin geht. Wir werden nochmal richtig einkaufen und sind ansonsten froh, dass wir so schöne Tage hatten, nicht wie bei vielen anderen gerade unsere Existenz betroffen ist und wir (wir sagen mal lieber vorsichtshalber noch) drüber lachen können. Hallo Lockdown Nummer 2 auf dieser Reise! Mal sehen, was du dieses Mal mit uns vor hast.

 

Stillstand, der gut tut.


 

Nicht darüber nachdenken müssen ob wir noch genügend Wasser haben oder sparsam mit dem vorhandenen Wasser umgehen zu müssen, immer ein Klo und eine warme Dusche zu haben, die Malsachen einfach ausgebreitet auf dem Tisch liegen lassen können, eine Waschmaschine, Strom wann immer wir wollen (Anmerkung Joscha: und natürlich der Holzofen!) – das genießen wir hier in unserem Häuschen gerade wirklich sehr und ist für uns großer Luxus nach den ganzen letzten Monaten. Nach fast einem Jahr unterwegs sein tut uns der Stillstand irgendwie auch gerade gut. Kein Suchen nach dem nächsten Trinkbrunnen, dem nächsten Supermarkt, dem Plätzchen wo wir heute Abend schlafen werden oder Überlegungen wohin es weiter geht. Keine Frage, wir lieben das unterwegs sein und unseren Reisealltag in unserem Bulli, aber Reisen für so lange Zeit ist, das glauben viele immer nicht, aber auch manchmal einfach anstrengend.

Bis auf die unsere 6 Wochen Rückholprogramm in Hallerndorf, waren wir selten mehr als ein paar Tage an einem Ort und das seit knapp einem Jahr. Uns zog es immer weiter, so vieles das auf uns gewartet hat und was wir sehen wollten. Selten haben wir richtige Pausen gemacht. Und ehrlich gesagt hat es uns die letzten Wochen müde gemacht jeden Tag zu schauen, wie sich alles mit Corona entwickelt und wo wir hin fahren können und wohin besser nicht. Die ganze Reise ist dadurch bestimmt. Ideen und Wünsche lösen sich manchmal von einem Tag auf den anderen in Luft auf, weil wieder irgendwo eine neue Bestimmung her kam. Das Wort planen versuchen wir gar nicht mehr zu benutzen, denn planbar ist in diesem Jahr gar nichts. Wenn man eigentlich unterwegs sein und reisen möchte, dann ist Stillstand wirklich das letzte was man gebrauchen kann.Und trotz allem wissen wir, dass wir sehr privilegiert sind, in diesen Zeiten überhaupt noch unterwegs sein zu können und nicht wie bei vielen anderen Menschen gerade die Existenz bedroht ist.

Jetzt, beim zweiten Lockdown, sind wir wesentlich entspannter und vorbereiteter. Es kam nicht sehr überraschend und irgendwie hat sich alles wieder so gefügt, dass wir jetzt ein kleines Ferienhäuschen haben, in dem wir uns sehr wohl fühlen, welches wir gegen Arbeiten für die Olivenernte umsonst bekommen. Und ganz so wie Stillstand fühlt es sich im Moment gar nicht an. Einmal natürlich durch das Arbeiten auf den Olivenhainen. Und andererseits haben wir endlich mal die Zeit, uns unseren Ideen und Projekten richtig zu widmen. Es arbeitet in unseren Köpfen und wir haben das erste Mal wirklich Raum und die Ruhe uns auch damit auseinanderzusetzen. Um uns herum ist es vielleicht stiller geworden, aber hier in unserem kleinen Häuschen rauschen unsere mal mehr kreativen mal weniger kreativen Köpfe. Geschäftspläne, Konzepte und dazwischen Yogaübungen, Tomaten-Gurkensalate und abstrakte Aquarellbilder. Auch die Rückreise ist immer mal wieder Thema, auch wenn es noch etwas Zeit ist. Im Moment haben wir das Gefühl, dass wir dieses Jahr nicht mehr so viel von Griechenland sehen werden und wir uns von unserem Wunsch der langsamen Rückreise nach Deutschland eher verabschieden sollten. Wir vermuten, dass der Lockdown länger anhält und dass womöglich auch Anfang des Jahres in unseren Rückreisewunschländern nicht viel gehen wird. Dann sagen wir wieder, jetzt warten wir erstmal die Olivenernte und das vorläufige Lockdownende ab. Zurück ins Hier und Jetzt. Und da sind wir gerade eigentlich ganz zufrieden. Sehr sogar, wenn das warme Wetter fühlen und an das Meer aus dem Fenster sehen.

Morgen geht endlich die Olivenernte los und wir sind gespannt wie hoch unser Erschöpfungszustand nach dem ersten Erntetag sein wird. Morgen Abend geben wir den Bulli beim Lackierer ab und davor sind wir so richtig aufgeregt und so gespannt ob alles so wird, wie wir es uns vorbestellen. Aber die schönste Aufregung wird sein, wenn wir dann irgendwann wieder in unserem Bulli sitzen und es weiter gehen wird. Wenn wir wieder unterwegs sein können und reisen, die ausgestreckte Hand aus dem Fenster und dem Wind im Gesicht. Wenn man mit fast nichts irgendwo draußen in der Natur vor Glück platzt. Und ich weiß ganz genau wie es sich anfühlen wird, dieses Gefühl von frei und glücklich sein. Und das ist vielleicht das Gute an dem Stillstand gerade, dass wenn es dann irgendwann wieder los geht, es umso schöner sein wird.

 

Olivenernte

Es ist 8 Uhr und Ninette holt uns ab. Wir fahren knapp 10 Minuten zu einem der drei Olivengrundstücke. Thanassi, Mira und Eleni sind bereits da, die Netze werden unter den Bäumen ausgelegt, die Maschinen und Geräte platziert und es geht direkt los. Thanassi steht oben in den Bäumen, sägt Zweige ab, macht den Baumschnitt und die anderen tragen die Zweige zur Rüttelmaschine. An der steht entweder Eleni oder Julia und hält einen Zweig nach dem anderen über die drehenden Rollen mit Gummischlegel, die die Oliven abschlagen. Mal versinkt die Maschine mit Person zwischen den Bergen an Olivenzweigen, mal sind mehr Oliven an den Ästen dran, mal weniger. Joscha bearbeitet die Olivenbäume von unten mit einem speziellen Gerät. Auch so etwas wie ein Rüttler. Ein langer Stab an dem sich am Ende eine Rolle mit Gummischlegel dreht, welche die Oliven schonend vom Baum rüttelt. Das ganze Gerät vibriert und muss die ganze Zeit nach oben gehalten werden. Der Blick geht ebenfalls die ganze Zeit nach oben, Nackenschmerzen am Ende des Tages sind vorprogrammiert. Wenn Thanassi mit der Motorsäge den Baumschnitt fertig hat, klopft er oben im Baum stehend die Oliven ab. Mira schlägt von unten gegen die Zweige. Wer nicht an einem der Geräte steht, sammelt Blätter und kleine Ästchen vom Netz auf. Sobald alle Oliven unten sind, werden die Netze zusammengerollt und die Oliven werden zu Ninette in ihr Auslesegerät geschüttet. Sie sortiert Blätter und Zweige aus und die Oliven finden ihren Weg in den Jutesack. Die Netze werden unter die nächsten Bäume ausgelegt, die Maschinen neu platziert und alles geht von vorne los. So sieht die Olivenernte aus. Von Baum zu Baum, von Grundstück zu Grundstück. Um halb zehn gibt es eine kurze Kaffeepause, um halb eins ein halbes Stündchen Mittagspause und viertel nach vier ist Feierabend. Dann werden noch die Säcke auf dem Grundstück eingesammelt, zum Auto getragen und falls es genug sind und es einen freien Termin gibt noch zur Ölmühle gebracht. Am nächsten Tag geht alles wieder von vorne los.

Nach sechs Tagen sind knapp 200 Bäume abgeerntet, deutlich früher als geplant und wir waren am Ende ein gut eingespieltes Team. Thanassi will uns für nächstes Jahr wieder mit dabei haben. Die Tage sind verflogen und es hat uns wirklich Spass gemacht. Aber es war auch ganz schön anstrengend. Die Tage waren lang. Zwar war ab viertel nach vier Ende der Ernte, aber dann ging es noch weiter zur Ölmühle oder zurück im Ferienhäuschen wurde sich um die Essoliven gekümmert. Wenn es weiter zur Ölmühle ging, kam es immer ganz darauf an, wann ein freier Termin war. Da wir nicht die einzigen waren, die ihre Olivenbäume ernteten, mussten wir manchmal zwei, drei Stunden warten bis gepresst werden konnte. Meist wurde dann das Abendessen vorgezogen (Franz hat an diesen Tagen immer für uns gekocht – DANKE!) und anschließend wurden die Oliven zur Mühle gebracht. Etwa 1 ½ Stunden dauerte es immer, bis schließlich das Olivenöl in die Fässer floss. Diese kamen wieder zurück ins Auto und das Öl wurde bei Ninette und Franz in die Stahltanks zur Lagerung umgefüllt. Wenn wir im Ferienhäuschen ankamen, war es meistens neun, halb zehn. Schnell noch das Vesper für den nächsten Tag richten, duschen und ab ins Bett. Gab es noch genug Säcke mit Oliven oder keinen freien Termin in der Ölmühle, saßen wir abends vorm Ofen mit Eimern voller Essoliven. Ein paar der Bäume hatten in diesem Jahr ganz gut Essoliven getragen und wir durften einiges mitnehmen. Damit Oliven aber essbar werden, müssen zunächst alle nochmal auf Druckstellen und Madenlöcher durchgeschaut werden und dann angeschnitten werden. Die schwarzen Oliven bekommen einen Schnitt, die grünen drei Schnitte. Viele Tage liegen sie dann in Wasser, welches täglich gewechselt werden muss, um die Oliven zu entbittern. Mit dem Durschauen und Anschneiden jeder einzelnen Olive waren wir dann abends nach der Ernte auch nochmal zwei bis drei Stunden beschäftigt und sind bis heute immer noch nicht ganz durch. Dafür können wir dann wohl das ganze nächste Jahr unsere eigenen Oliven essen. Eine weitere Herausforderung waren zum Teil Unebenheiten auf den Grundstücken oder Bäume an Hängen. Das Ernten auf diesen Stellen ist oft mühsam. Zweige müssen hoch getragen werden und zum Abklopfen der Oliven kann man manchmal nicht richtig stehen. Auch das Auslegen der Netze geht auf geraden und ebenen Flächen deutlich einfacher und schneller. Wir haben schnell gemerkt, wie wichtig die Vorarbeiten waren, die wir gemacht haben. Denn da wo keine Triebe oder dornigen Gewächse im Weg liegen, lassen sich die Netze viel besser weiterziehen. Auf die Grundstücke von Ninette fahren keine Autos und Traktoren um den Boden nicht weiter zu verdichten, zum Teil ist es auch einfach gar nicht möglich. Das bedeutet aber wiederum, dass abends alle Säcke zum Auto getragen werden mussten. Ein Sack wiegt 40 Kilo, weshalb sie zunächst immer nur zur Hälfte befüllt und dann erst beim Sammelplatz zusammengeschüttet wurden. In Griechenland sieht man allerdings oft Arbeiter, die die 40 Kilo Säcke über die Grundstücke schleppen. Die Hälfte an Gewicht hat uns und unseren Rücken gereicht. An den Tagen wo es nicht zur Mühle ging, blieben die Olivensäcke auf dem Grundstück stehen. Am letzten Tag stellten wir am morgen leider direkt fest, dass die Säcke vom Tag zuvor geklaut wurden. Die Arbeit von einem Nachmittag von sechs Leuten völlig umsonst. Auch eine der Maschinen war abgedeckt, wurde aber zum Glück nicht mitgenommen. Die Enttäuschung war groß, so den letzten Erntetag zu starten. Ninette sieht es als Lehrgeld. Es ist bei ihr glücklicherweise das erste Mal in 28 Jahren Ernte. Trotzdem war am Ende die Freude groß, dass alles so gut geklappt hat und der Ertrag im guten Durschnitt dieses Jahr liegt. Wir sind froh, dass jetzt nur noch Nacharbeiten anstehen. Pünktlich zum letzten Erntetag ist jetzt auch erstmal eine Woche Regen angesagt.

 

der Wert von Olivenöl

 

Uns ist nach der Olivenernte nochmal bewusster geworden, warum hochwertiges Öl nun mal seinen Preis hat. Für ein paar Euro im Supermarkt kann kein reines und gutes Öl drin sein, denn das würde sich mit all dieser Arbeit nicht rechnen. Von der ersten Pressung haben wir noch am selben Tag eine Flasche bekommen. Das frischeste Olivenöl was es gibt und wir je probiert haben. Ganz grün und etwas bitter, aber sehr gesund. Wir freuen uns schon, wenn wir nächstes Jahr unser eigenes geerntetes Bioolivenöl nach Hause bestellen können. Bis es dann nach der Lagerung bei uns in Freiburg eintrudelt, wird es schon wieder eine andere Farbe haben. Dann sitzen wir auf unserem Balkon, essen unsere eigenen Oliven, tunken das gute Dinkelbrot vom Lieblingsbäcker in unser selbst geerntetes Olivenöl und werden an die Olivenernte und die Tage hier in Koroni zurückdenken.

Aus RAL 5018 wurde RAL 6021.

Ein Jahr unterwegs

 

Heute genau vor einem Jahr ging sie los, unsere große Reise in die Welt. Mit zwei riesen Rucksäcken auf dem Rücken und zwei kleinen in der Hand sind wir in Freiburg in den Zug gestiegen. Voller Neugierde, Freude, Aufregung und mit einer riesen Portion Abenteuer- und Reiselust. Die große weite Welt und über ein Jahr Freiheit lagen vor uns. Es sollte eine Reise werden in ferne Länder und Kulturen. Wir wollten langsam unterwegs sein, möglichst nicht fliegen, sondern mit Zug, Bus oder Schiff reisen (Ein Kompromiss: Der Flug von Georgien nach Indien zur Hochzeit von Freunden). Wir wollten uns treiben lassen, hatten eine grobe Route im Kopf und wollten irgendwann mit der Transsibirischen Eisenbahn aus dem Osten wieder kommen.

Es ging von Freiburg nach Georgien, 2 ½ Monate durch Indien und nach Nepal. Als die Welt still stand, steckten wir in Nepal mitten im Himalaya auf einer 21-Tage Wanderung fest und standen vor großen, schweren Entscheidungen. Mit dem Rückholprogramm ging es zurück nach Deutschland, doch vorher legten wir für uns fest: Die Reise ist nicht zu Ende, sie geht nur anders weiter. Es ging nicht nach Hause, um nicht das Gefühl des unterwegs seins zu verlieren. Bei lieben Freunden in Bayern kauften wir unseren Bulli, bauten ihn aus und ehe wir uns versahen ging die Reise auf vier Rädern weiter. Von Rucksackreisenden in die Welt, wurden wir zu Bullibesitzern durch Europa. Aus fernen Ländern und Kulturen, wurden Nachbarländer und Europa. Statt Couchsurfen, Kontakt mit Einheimischen und vielen Reisebekanntschaften, hieß es Natur, Natur, Natur und wir zwei allein mit unserem Bulli.

Wir mussten lernen loszulassen, zu akzeptieren, dass nicht immer (gleich) alle Träume in Erfüllung gehen und uns für neue Wege und Richtungen öffnen. Seit einem Jahr sind wir nun unterwegs. Waren ein Jahr nicht zuhause, haben unsere Familien und unsere Freunde seit 12 Monaten nicht gesehen. Wir haben gelacht, getanzt, geweint, gestaunt, uns geärgert, konnten unser Glück manchmal kaum fassen, saßen in Tuk Tuks, Zügen, Bussen, Taxis, sind tagelang gewandert, haben so viel gesehen und erlebt, haben gelernt, was es heißt privilegiert zu sein, haben das Gefühl mehrere Reisen in einer gemacht haben, Höhen und kleine Tiefen gehabt, haben unsere Blickwinkel geändert und gespürt, was es heißt frei zu sein.

Wir können es manchmal selber gar nicht glauben, was eigentlich alles dieses Jahr passiert ist. Auf der einen Seite ist es eine Ewigkeit und dann rast die Zeit wieder an uns vorbei. Das Unterwegs sein ist unser Alltag geworden und es fühlt sich ein bisschen so an, als würden wir das Leben vor der Reise hinter uns lassen und als ob nun etwas Neues auf uns wartet. Knapp drei Monate liegen noch vor uns, und unsere Gedanken gehen immer mehr Richtung Rückweg und wie es für uns zuhause weitergeht. Es ist, als ob so langsam der letzte Abschnitt unserer Reise anfängt. Mit Wehmut, aber auch mit Vorfreude auf Zuhause. Wünsche und Ideen für unseren langsamen Rückweg über den Balkan lösen sich mal wieder in Luft aus, aber inzwischen können wir die dauernden Richtungswechsel gelassener aufnehmen. Wir blicken auf ein Jahr zurück, dass wir noch gar nicht so richtig in Worte fassen können, auf so viele schöne Erfahrungen und Begegnungen und auf so viel Gutes in dieser Welt. Und eins ist für uns klar, wir würden immer wieder losziehen! Und wahrscheinlich war es auch nicht die letzte große Reise für uns.

zurück nach Hause

 

Und nach über vier Monaten heißt es jetzt Tschüss Griechenland.

Nach fast 14 Monaten unterwegs in dieser Welt, geht es nun zurück nach Deutschland.

 

Rückblick Griechenland

 

Etwas über vier Monate waren wir in Griechenland. Die Hälfte der Zeit haben wir mit unserem Bulli das Land erkundet, die andere Hälfte im Lockdown in Koroni verbracht. Griechenland hatte uns im September endlich die lang ersehnten heißen Sommertage gebracht, die feinsten Stellplätze direkt am Meer mit dem klarsten und türkisestem Wasser. Die ersten Wochen ging es auf der Halbinsel Chalkidiki im Norden von Bucht zu Bucht bis wir uns ins Hinterland verabschiedeten. Spätestens da wurde uns bewusst, wie bergig Griechenland ist (Griechenland hat einen Gebirgsanteil von über 70 %) und dass es noch viel mehr als nur Strand, Meer und blaue Häuschen zu bieten hat. Im Hinterland wurde es herbstlich und die eh schon corona- und nebensaisonbedingten wenigen Touristen, suchte man dort vergebens. Manchmal tuckerten wir eine Stunde auf kleinen Straßen umher, ohne ein anderes Auto zu sehen. Die griechische Coronakarte stets im Blick, fuhren wir in einer kleinen Hauruckaktion ganz runter in den Süden auf den Peleponnes, da die roten Gebiete immer mehr wurden und wir zum Winter in der wärmsten Region sein wollten. Eine Woche hatten wir noch auf dem Peleponnes, bevor es dann ab November in den landesweiten Lockdown ging. Zufälligerweise hatten wir genau für den Zeitpunkt schon eine Workaway-Stelle zum Oliven ernten und wurden herzlich von Franz und Ninette aufgenommen. Wir bekamen Ninettes kleines Ferienhäuschen für unsere Arbeit und nach sechs Monaten nur im Bulli war eine tägliche warme Dusche, ein Klo, eine Küche und ein kleiner Holzofen der größte Luxus für uns. Der Stillstand nach bald einem Jahr unterwegs mit Rucksack und Bulli tat gut und kam irgendwie genau richtig. Höchst motiviert wollten wir die Zeit kreativ nutzen, doch gegen Ende des Jahres wurde es zäh. Der Lockdown wurde immer wieder verlängert, die Tage verstrichen langsam vor sich hin und wir hatten das Gefühl die letzten Wochen unserer Reise und der kostbaren Zeit nur noch abzusitzen. Der ursprüngliche Plan über die Westküste Griechenlands durch Albanien, Monenegro, Kroatien usw. langsam Richtung Deutschland zurückzufahren hatte sich schon länger in Luft aufgelöst und so beschlossen wir Anfang Januar mit Wehmut und Vorfreude, dass es schon etwas früher zurück nach Deutschland geht und wir nochmals unsere Freunde bei Bamberg besuchen. Im Lockdown zurückzufahren hat es nach über einem Jahr Reisen vielleicht einfacher gemacht zu gehen. Fast vier Tage brauchen wir um zur Fähre, auf der Fähre, in Italien und durch Österreich dann nach Deutschland zu kommen und so lassen wir Kilometer für Kilometer unseren Reisealltag und unser Bullileben hinter uns zurück. Wir verlassen Griechenland ohne irgendeine Ausgrabungsstätte gesehen, eine der kleinen Insel besucht oder in einem der Blau-Weißen-Örtchen in der Taverne gesessen zu haben. Da müssen wir fast schon Lachen, wenn wir denken, dass wir über vier Monate dort waren. Ach liebes Griechenland, wir werden noch oft an deine einsamen Buchten und die vielen schönen Glücksmomente erinnern, die du uns beschert hast. Du siehst uns auf jeden Fall wieder und dann versumpfen wir in deinen Tavernen, tanzen griechische Tänze und trinken mit jedem Griechen und jeder Griechin Tsipero. Nur Oliven ernten, werden wir vielleicht so schnell nicht mehr. Efcharistó!